Das „Wirkprinzip“ des Therapeutischen Reitens
Das dreidimensionale Gangbild des Pferdes entspricht weitestgehend dem des Menschen im Gehen. Selbst wenn wir „nur“ auf dem schreitenden Pferd „sitzen“, übertragen sich 90 – 110 Schwingungsimpulse auf den menschlichen Körper, die vor allem die innere Haltemuskulatur aktiviert und stärkt. Somit verbessert sich die Selbstaufrichtung und Haltung des Menschen durch die Reittherapie auf lockere und unangestrengte Weise.
Die vom Therapiepferd ausgehenden Bewegungsimpulse kommen natürlich auch als Signale in unserem Gehirn an, stimulieren dort, müssen verarbeitet und verknüpft werden. Diese Sinnesreize fördern die Haltung, die Motorik, das räumliche Vorstellungsvermögen und das Denken.
Das Pferd regt in vielerlei Hinsicht unsere Sinne an. Besonders wertvoll ist die Stimulation der Basissinne. Dies sind unsere ersten Sinne, die bereits früh im Mutterleib entstehen und geprägt werden – der Gleichgewichtssinn, das Empfinden der Haut und das System der Tiefenwahrnehmung. Diese drei Sinne sind die Basis für alle Sinne, die später entstehen und werden in der Reittherapie auf angenehme spaßbringende Weise angesprochen und gefördert.
Durch die Förderung der Basissinne in der Reittherapie sind auch Entwicklungen der weiteren Sinne möglich, die durch das Zusammenspiel mit dem Pferd stimuliert werden. Das Hören, Sehen, Riechen, Fühlen und Denken wird angeregt und in Interaktion mit dem Pferd und dem Reittherapeuten gefördert.
Das Schönste an der Reittherapie ist jedoch, dass die Reittherapie niemandem vorkommt wie eine Therapie. Reittherapie macht Spass, aktiviert die Lebensfreude und schafft Selbstvertrauen. Pferde motivieren selbst therapiemüde oder -scheue Menschen und gehen eine Bindung mit ihnen ein.
Auch wenn die Reittherapie in Deutschland noch nicht zu den anerkannten Kassenleistungen gehört, bin ich von der Wirkung der Reittherapie absolut überzeugt. Und genauso bin ich sicher, dass die wissenschaftliche Anerkennung zeitnah statt finden wird. Es laufen derzeit mehrere Studien zur Wirksamkeit der Reittherapie, u. a. bei MS (multiple Sklerose) und Spastiken. Doch auch im psychosomatischen Bereich ist die Reittherapie begleitend als Katalysator anzusehen, der zu mehr Lebensfreude und Antrieb beiträgt.
Meine Aufgabe in der Reittherapie
Als Reittherapeutin sorge ich für ein sicheres Setting, achte auf das Richtige „Tempo“ bei Kontaktaufnahme und sämtlichen Aktionen und gehe in Echtzeit auf aktuelle Bedürfnisse und Befindlichkeiten ein.
Dabei konzentriere ich mich auf den Klienten und das Pferd und achte auf die Umwelt und Sicherheit. Dennoch versuche ich mich im Hintergrund zu halten, um das Zusammenspiel von Mensch und Pferd maximal wirken zu lassen.
Nach der Arbeit ist vor der Arbeit. Die Therapiepferde müssen nicht nur sorgfältig ausgebildet und für die Reittherapie vorbereitet werden, sondern auch durch ausgleichende Bewegung gesund erhalten werden.
Standort der Reittherapie bei Berlin
Therapeutisches Reiten ist in Berlin nur eingeschränkt möglich. Mit der Pferdepension Alter Finkenkrug in Falkensee von Hubert Heinicke habe ich einen wunderbaren Standort für meine therapeutische Tätigkeit mit Pferden gefunden. Der kleine Offenstall ist mit dem Auto gut zu erreichen und liegt nur wenige km westlich von Berlin.
Ablauf der Reittherapie
Im Vorgespräch lernen Sie nicht nur die Pferde und mich kennen, sondern wir sprechen auch über Ihre individuellen Ziele/Wünsche/Hoffnungen, die Sie mit der Reittherapie verbinden.
Ich arbeite in der Regel im Einzelsetting – also ein Klient, ein Pferd und ich zu einer Zeit – und nicht in der Gruppe, da ich mich auf jeden einzelnen Klienten konzentrieren können möchte.
Eine Therapieeinheit dauert je nach Vereinbarung 60 oder 90 Minuten (inklusive Holen des Pferdes, Putzen, Vorbereiten und Versorgen des Pferdes nach dem Reiten). Bei Verfügbarkeit können wir einen regelmässigen Termin planen (alle 7 oder 14 Tage) – oder einzelne Termine absprechen. Bei einem regelmässigen Termin biete ich rabattierte Verträge an.
Sollten Sie privat versichert sein, können Sie sich eventuell die Kosten für die Reittherapie erstatten lassen. Das hängt von Ihrer Krankenkasse, Ihrem gewählten Tarif und der Indikation ab.
Ich hoffe, dass auch die gesetzlichen Krankenkassen in naher Zukunft die Reittherapie übernehmen werden. Wissenschafliche Studien, die die Wirksamkeit empirisch belegen sollen, laufen derzeit (s. o.).
Einige Anwendungsgebiete der Reittherapie
Allgemein wohltuend und förderlich ist das Erfahren von Selbstwirksamkeit beim therapeutischen Einsatz von Pferden. Wer ein 600 kg schweres, freiheitsliebendes und kraftvolles Wesen wie ein Pferd als seinen Freund bezeichnen kann und diesen sogar dazu bewegen kann, etwas zu tun oder zu unterlassen, der kann sich wirklich glücklich schätzen. Für das Selbstvertrauen ist das Vertrauen auf das eigene Vermögen, Prozesse steuern zu können essentiell. Die Lernerfahrungen in der Interaktion mit dem Pferd sind in diesem Punkt Gold wert.
Pferde haben keine Vorurteile. Sie lassen sich weder durch aufgesetzte Coolness noch durch ein superteures Outfit beeindrucken. Und sie verurteilen niemanden aufgrund von Aussehen, Herkunft oder vermeintlichen Makeln. So ist die Reittherapie auch besonders wohltuend für Menschen, die Ausgrenzung erlebt haben, gemobbt wurden, nicht allgemein geltenden Schönheitsidealen entsprechen usw.
Depressive Menschen müssen in der Reittherapie keine Worte finden, um ihrer Befindlichkeit Ausdruck zu geben. Das Pferd bemerkt, wie es um einen steht und reagiert entsprechend. Pferde können Trost spenden, fürsorglich auf uns eingehen und sie können uns sogar schaukelnd durch schöne Landschaften tragen. Dabei spenden sie nicht nur Bewegungsenergie an uns, sondern auch Wärme. Die antidepressive Wirkung der Reittherapie verpufft nicht mit dem Ende der Therapieeinheit, sondern wirkt noch einige Zeit nach.
Traumatisierte Menschen erleben sich und ihren Körper manchmal leb- und gefühllos. In der Interaktion mit dem Therapiepferd kann wieder ein Zugang zur eigenen Gefühlswelt geschaffen werden. Durch das therapeutische Reiten wird die Wahrnehmung des eigenen Körpers gefördert („Ich spüre ja meine Beine!“). Gleichzeitig hat man einen wohlwollenden Verbündeten, dem man vertrauen kann und der Wärme, Geborgenheit und Sicherheit vermittelt.
Gestresste und ausgebrannte Menschen haben ihre innere Balance verloren. Das Leben ist aus dem Gleichgewicht geraten – die Work-Life-Balance ist nicht mehr ausgewogen und an Entspannung ist nicht mehr zu denken. Auf dem Pferd müssen wir uns ausbalancieren. Und gleichzeitig müssen wir flexibel sein und mit der angebotenen Bewegung mitgehen. Indem wir bei jedem Schritt des Pferdes automatische Ausgleichsbewegungen machen, trainieren wir unseren Gleichgewichtssinn auf entspannte und angenehme Art und Weise. Die Förderung der körperlichen Balance beim therapeutischen Reiten fördert gleichzeitig unsere innere Balance und automatisch auch das Konzentrieren auf die eigene Mitte. Reittherapie ist Achtsamkeitstraining zu Pferd – eine bewegte Art der Meditation.
Auf Menschen mit ADS oder ADHS reagieren Pferde ganz besonders rücksichtsvoll. Es ist erstaunlich mit anzusehen, wie geduldig Therapiepferde auf diese Individuen eingehen, wie schnell eine non-verbale Kommunikation und tiefe Verbundenheit entsteht und sich eine oftmals spielerische Interaktion zwischen Mensch und Tier ergibt. Nach den Therapieeinheiten wird oft ein außergewöhnliches „Ruhen in sich selbst“ verbunden mit einer tiefen Zufriedenheit beobachtet.
Autisten können lernen, Gefühle ihres Gegenübers besser zu erkennen und rechtzeitig darauf zu reagieren.